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Titel
Wie das Leben so der Tod. Sterbedarstellungen von Kaisern und Königen in der Historiographie des früheren Mittelalters


Autor(en)
Janßen, Mike
Reihe
Studien zu Macht und Herrschaft (4)
Erschienen
Göttingen 2021: V&R unipress
Anzahl Seiten
480 S.
Preis
€ 65,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anna Lidor-Osprian, Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Dass der Tod ein Teil des Lebens ist, ist eine Gewissheit. Eine Gewissheit, die in den letzten Jahren auch in einigen wichtigen kulturwissenschaftlichen Studien ihren Niederschlag gefunden hat. So nun auch die 2021 publizierte Dissertation von Mike Janßen. Die Qualifikationsarbeit, entstanden im Rahmen des SFB 1167 (Macht und Herrschaft - Vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive), widmet sich den Sterbedarstellungen mittelalterlicher Herrscher vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. Zeitlich schließt die Studie, wie Janßen selbst bemerkt (S. 29), an die Monografie von Manuel Kamenzin (vor)an.1 Den Endpunkt der Studie mit Lothar von Süpplingenburg (gest. 1137) festzulegen, wird damit gerechtfertigt, dass der Investiturstreit zu einer Veränderung mittelalterlicher Mentalitäten geführt habe, die auch den Umgang mit dem Tod entscheidend beeinflusst habe (S. 39). Ob es tatsächlich „nicht sinnvoll“ gewesen wäre, „alle vorhandenen Quellen“ (ebd.) in die Studie einzubeziehen, bleibt fraglich, obschon die Erklärung der Quellenauswahl (zeitliche Nähe zum Ereignis) natürlich berechtigt und einleuchtend ist.

Der Einleitung, die alle erforderlichen Aspekte inklusive einer klaren Fragestellung (S. 30) beinhaltet, folgen zunächst zwei allgemeine Kapitel. Das zweite Kapitel liefert so einen Überblick (früh-)mittelalterlicher Vorstellungen von Tod, Jenseits und memoria. Dabei stellt Janßen den Ergebnissen vorangegangener Forschungen einige Quellenbeispiele zu Herrschertoden aus dem festgelegten Forschungszeitraum bei. Das dritte Kapitel schließlich beinhaltet mittelalterliche Auffassungen und Definitionen vom „guten“ und „schlechten“ Tod sowie deren Bedeutung in Historiographie und mittelalterlicher Gesellschaft. Obwohl eine solche Einführung sicherlich unabkömmlich ist, wäre eine Kürzung hier angebracht gewesen, da die beiden einleitenden Kapitel so einen großen Teil des Gesamtumfangs der Studie in Anspruch nehmen (S. 43–151).

Ab Kapitel IV schließlich beginnt die Analyse der berichteten Herrschertode in den ausgewählten historiographischen Werken. Dafür wurden Gregor von Tours Libri Historiarum Decem, Regino von Prüms Chronicon und das Werk desselben Namens aus der Feder Thietmars von Merseburg ausgewählt. Den Fokus legt Janßen auf jene Todesberichte, für die der jeweilige Autor auch als Zeitzeuge gelten kann. Bei der Analyse folgt Janßen schließlich nicht dem zu erwartenden klassischen Muster, denn nicht die Herrscher, sondern die Autoren stehen zunächst im Fokus. Auf Basis klassischer Quellenkritik und unter Bezugnahme auf persönliche Interessen, politische Involvierung sowie Lebenserfahrungen der drei Autoren sucht Janßen nach möglichen Beweggründen für die „guten“ wie auch „schlechten“ Tode in ihren historiographischen Werken.

Auffällig ist dabei, dass Gregor von Tours bei weitem öfters vom „schlechten“ Tod berichtet als die ihm nachfolgenden Geschichtsschreiber. Vor allem für jene Herrscher, die sich frevelhaft gegenüber der (römischen) Kirche oder dem Bistum Tours verhielten, inszeniert Gregor einen schlechten Tod. Sündhaften Könige hingegen, welche auch als Wohltäter der Kirchen auftraten, dürfen in den Libri Historiarum Decem trotzdem gut aus dem Leben scheiden. Hierbei unterscheidet sich Gregor von Tours sehr deutlich von den beiden anderen, ebenfalls dem geistlichen Stand angehörenden Historiographen. Während „(…) sich Regino von Prüm in seiner Beurteilung des Sterbens und damit der Person“ (S. 309) zurückhält und weitestgehend kurze und neutrale Angaben macht, sterben die von Thietmar von Merseburg beschriebenen Herrscher stets eines „guten“ Todes (S. 310). Die Analyse bleibt dabei nicht auf die Todesbeschreibungen der Könige und Kaiser beschränkt, da Mike Janßen auch zahlreiche Sterbemomente anderer Personen einarbeitet. Dass Janßen, vor allem bei Gregor von Tours, nicht immer chronologisch vorgeht, führt an manchen Stellen zu etwas Verwirrung. Dennoch lassen sich Analyse wie auch die Ergebnisse ob des verständlichen Stils und der zahlreichen Quellenauszüge – zumeist in deutscher Übersetzung – leicht nachvollziehen.

Im finalen Kapitel ändert sich schließlich die Betrachtungsweise, denn nun stehen die Herrschenden im Mittelpunkt (S. 313). Zunächst differenziert Janßen zwischen natürlichen, unnatürlichen und „stillen“, also unerwähnten, Todesursachen. Schließlich werden einige Herrscher als Fallstudien herangezogen, um deren Todesbeschreibungen in verschiedenen Quellen miteinander zu vergleichen. Hierbei kommt Janßen, und damit auch die Leserschaft zu der Erkenntnis, „dass ein Differieren der Todesursache äußerst selten vorkommt“ (S. 382), deren Interpretation und Darstellung jedoch von dem jeweiligen Historiographen und seinen Interessen abhängig sind.

Zusätzlich zu einer die Gesamtstudie beschließenden Schlussbetrachtung (S. 385–400) findet sich auch jeweils am Ende eines Kapitels eine praktische, kurze Zusammenschau der Ergebnisse und Beobachtungen. Janßen legt seinem Werk außerdem eine übersichtliche Tabelle zu den behandelten Herrschertoden bei. Neben den Herrschernamen finden sich dort auch Angaben zu Lebensdaten, Todesvorzeichen, Sterberiten, Todestag bzw. -ort, Bestattungsort, Todesursache und auch die Quellen, in denen diese Informationen überliefert sind (S. 447–461). Ebenso positiv müssen auch die 12 qualitativ hochwertigen, teilweise farbigen Abbildungen erwähnt werden, die diese Publikation zieren. In einem Fall, nämlich Abbildung 3 (S. 55), irritiert allerdings die Bildbeschreibung. Eine bildliche Umsetzung der biblischen Parabel von Lazarus und dem reichen Mann aus dem frühen 11. Jahrhundert als „Seelenwägung“ zu betiteln, scheint doch eine etwas gewagte Interpretation der Szene.

Insgesamt hat Janßen eine gut verständliche und nachvollziehbare Qualifikationsarbeit zur Publikation gebracht, die genau das hält, was sie auch verspricht. Nicht zuletzt deswegen wird dieses Werk auch eine Anlaufstelle für nachfolgende Forschungen sein.

Anmerkung:
1 Manuel Kamenzin, Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser. 1150–1349 (Mittelalter-Forschungen 64), Ostfildern 2020.

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